Der Ersatz von Schäden aus Verkehrsunfällen nach italienischem Recht

I.​Einleitung

Die Anziehungskraft Italiens auf deutsche Urlauber ist ungebrochen. Dabei sind Pkw und Reisebus nach wie vor die wichtigsten Verkehrsmittel. Trotz steter Bemühungen zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr kommt für manchen Reisenden mit einem Verkehrsunfall ein böses Erwachen. Denn zur Regulierung seiner Ansprüche ist er auf die Anwendung italienischen Rechts verwiesen, welches insbesondere beim Ersatz von Personenschäden erhebliche, für die Regulierungspraxis bedeutsame Unterschiede zum deutschen Schadensersatzrecht aufweist.

Der vorliegende Beitrag erläutert zunächst die Anspruchsgrundlagen und Haftungsvoraussetzungen. Nachfolgend werden die verschiedenen Schadenspositionen im einzelnen dargestellt und die konkrete Schadensberechnung veranschaulicht.
Aufgrund der Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen und einer unüberschaubaren Masse gerichtlicher Einzelfallentscheidungen und Stellungnahmen im Schrifttum kann der Beitrag nicht den Anspruch einer abschließenden Darstellung erheben und ist vielmehr als Übersicht zur Einführung in die Thematik zu verstehen.

II.​Anwendbares Recht

Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verweist Art. 40 Abs. 1, S. 1, 2 EGBGB auf das Recht des Handlungs- bzw. des Erfolgsortes. Soweit ein Schaden durch ein Unfallereignis in Italien verursacht wird, kommt somit italienisches Recht zur Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die Regulierung der Ersatzansprüche über eine inländische Korrespondenzgesellschaft des ausländischen Haftpflichtversicherers erfolgen sollte.

III.​Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvoraussetzungen

1.​Generalklausel für deliktischen Schadensersatz

Jede vorsätzliche oder fahrlässige Handlung, durch die einem anderen ein Schaden entstanden ist, verpflichtet denjenigen zum Ersatz dieses Schadens, der die Handlung begangen hat (Art. 2043 Codice Civile).

2.​Sonderregelung für Unfälle im Straßenverkehr

Für Unfälle im Straßenverkehr enthält Art. 2054 Codice Civile eine spezielle Anspruchsgrundlage für den Ersatz des entstanden Schadens.
Hiernach ist in erster Linie der Fahrzeugführer für die Schäden an Personen und Sachen verantwortlich, die durch den Betrieb des Fahrzeuges entstanden sind, es sei denn er weist nach, alles zu Vermeidung des Schadens mögliche getan zu haben (Art. 2054 Abs. 1 Codice Civile).

Fahrzeugführer im Sinne der Vorschrift ist derjenige, der die tatsächliche Verfügbarkeit über die mechanischen Einrichtungen des Fahrzeugs besitzt, welche die Bewegung desselben steuern, unabhängig davon, ob er für die Steuerung Anweisungen einer anderen Person erhalten hat.
Er haftet gesamtschuldnerisch mit dem Eigentümer für die entstanden Schäden, es sie denn der Betrieb des Fahrzeuges geschah nachweislich gegen dessen Willen (Art. 2054 Abs. 3 Codice Civile).

a)​ Verschuldensvermutung

Das italienische Recht geht bei Verkehrsunfällen für die Haftungsbegründung von einem vermuteten Verschulden des Fahrzeugführers aus. Will er eine Befreiung von dieser Haftung erreichen, muss er den Entlastungsbeweis („prova liberatoria“) führen.
Die Rechtsprechung legt hierbei einen objektiven, strengen Maßstab an.
Der Nachweis, selbst alle Verkehrsregeln beachtet zu haben, reicht für eine Entlastung allein nicht aus. Vielmehr muss der Fahrzeugführer darüber hinaus nachweisen, dass es objektiv unmöglich gewesen ist, die Entstehung des Schadens zu verhindern, obwohl er sich bei seinem Verhalten an die absoluten und strengen Sorgfaltsregeln gehalten hat, so dass der Schaden durch Zufall („caso fortuito“) eingetreten ist. Bei der zu beachtenden Sorgfalt wird nicht der Maßstab eines außergewöhnlichen umsichtigen Kraftfahrers angelegt, sondern der eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen („uomo di normale diligenza“).

Dieser muss auch auf vorhersehbare äußere Einflüsse gefasst sein, so daß
Umweltbedingungen, wie Schlamm, Eis oder Ölspuren kein zufälliges Ereignis darstellen, sie befreien den Fahrzeugführer nicht von seiner Verantwortung. Auch das Blenden der Sonnenstrahlen und ein Windstoß, ausgenommen, dieser erreicht Orkanstärken, stellen kein zufälliges Ereignis dar.

Auch das plötzliche Überqueren der Straße durch einen Fußgänger außerhalb des Zebrastreifens stellt für sich genommen noch kein zufälliges Ereignis dar. Vielmehr muss es dem Fahrzeugführer effektiv unmöglich gewesen sein, den Unfall zu verhindern. Hierzu muss der Fußgänger derart auf die Straße gelangen, dass er unvermittelt ein für den Fahrzeugführer unausweichliches Hindernis darstellt. Erst dann würde es sich um ein zufälliges Ereignis handeln, das zum Ausschluss der Haftung des Fahrzeugführers führt.
Zufall in solchen Fällen Sinne ist nur ein plötzliches und von der Norm abweichendes menschliches Verhalten, das keinerlei Ausweichmanöver mehr gestattet, um den Schaden zu vermeiden, und das als zugleich einzige Ursache für den Schadenseintritt anzusehen ist.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2054 Codice Civile, der die Verantwortlichkeit des Fahrzeugführers für das Entstehen des Schadens bei dem Verletzten vermutet, schließt jedoch eine darüber hinausgehende Ermittlung einer Mitschuld des Verletzten nicht aus, da ein Alleinverschulden nicht unwiderlegbar vermutet wird.
Aber nur dann, wenn der Fahrzeugführer nachweisen kann, dass ein Verhalten des Verletzten oder eines Dritten die einzige kausale Ursache für das Schadensereignis gewesen ist, wird er von der Ersatzpflicht für die entstandenen Schäden frei.

Eine weitere Vermutung enthält Art. 2054 Abs. 2 Codice Civile, wonach bei der Kollision von Fahrzeugen bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass die beteiligten Fahrzeugführer zu gleichen Teilen zu dem Entstehen des Schadens beigetragen haben. Die konkrete Feststellung der Verantwortlichkeit eines der Fahrzeugführer befreit den anderen allerdings nicht noch nicht von der Vermutung seiner eigenen Verantwortlichkeit nach Art. 2054 Abs. 1 Codice Civile, solange er nicht den vollständigen Entlastungsbeweis führen kann.

b) ​Auffahrunfall

Eine Ausnahme von der Vermutung des Art. 2054 Abs. 2 Codice Civile gilt für den Fall eines Auffahrunfalls. Hier wird vermutet, dass der Auffahrende die Verantwortung für die Kollision trägt, da er den notwendigen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten hat.

Will sich der Auffahrende von seiner vermuteten Haftung entlasten, muss er beweisen, dass das nicht rechtzeitige Anhalten und die darauf folgende Kollision auf Gründen beruht, die ihm nicht zuzurechnen sind. Auf das plötzliche und unvermittelte Halten des Vorausfahrenden kann sich der Fahrzeugführer des nachfolgenden Fahrzeuges grundsätzlich nicht zu seiner Entlastung berufen. Dieses stellt für ihn regelmäßig ein voraussehbares Ereignis dar, da er gemäß dem Straßenverkehrsgesetz (Codice Stradale) einen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten muss, um auf derartige Fälle angemessen reagieren zu können.

c) ​Massenunfall

Bei Massenauffahrunfällen wird Abs. 2 des Art. 2054 Codice Civile zu Lasten eines jeden Fahrzeugpaares von auffahrendem und aufgefahrenem angewendet, unter Ausschluss des
ersten und letzten Fahrzeuges der Kolonne.

In den Fällen einer Massenkollision kann sich der Führer eines auffahrenden Fahrzeuges nur dadurch von seiner Verantwortung befreien, indem er nachweist, dass die Kollision allein durch den Stoß, den er von dem ihm nachfolgenden Fahrzeug erhalten hat, verursacht wurde.

d) ​Konstruktions- und Instandhaltungsfehler

In jedem Fall haften die Verantwortlichen nach Art. 2054 Abs. 1, 2 und 3 Codice Civile für Schäden, die durch Konstruktionsmängel oder durch Instandhaltungsfehler des Fahrzeuges entstanden sind (Art. 2054 Abs. 4 Codice Civile). Dies allerdings nur, wenn zwischen dem Fehler und dem Schadensereignis ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Dem Geschädigten obliegt es, die Existenz des Fehlers oder der Fehlfunktion des Fahrzeuges zu beweisen, wie auch den Kausalzusammenhang mit dem Schadensereignis.
Der Hersteller haftet nicht nach Art. 2054 Abs. 4 Codice Civile für die Schäden, die Dritten aufgrund von Konstruktionsschäden entstanden sind. Seine Verantwortlichkeit kann aber aus anderen Vorschriften hervorgehen.


Der Fahrzeugführer und der Eigentümer können sich von ihrer Haftung nach Art. 2054 Abs. 4 Codice Civile für Konstruktionsfehler und Fehler bei der Instandhaltung nicht allein dadurch befreien, dass sie anführen, es wäre ihnen auch bei Beachtung der äußersten Sorgfalt unmöglich gewesen, den Fehler zu bemerken. Eine Haftungsbefreiung ist nur möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Schaden auf einem anderen Grund, auf dem Zufall, auf höherer Gewalt oder einem Notstand, beruht.

e) ​Schäden von Insassen

Die vermuteten Haftung des Eigentümers und Fahrzeugführers nach Art. 2054 Codice Civile erstreckt sich nicht auf Schäden von Insassen des Fahrzeuges des Unfallverursachers, unabhängig davon, ob der Transport vertraglich oder aus Gefälligkeit erfolgte. Die Haftung aus Art. 2054 Codice Civile dient nur dem Schutz Dritter, die an dem Betrieb des Fahrzeuges unbeteiligt sind.

f) ​Transport

Erfolgt der Transport vertraglich, entgeltlich oder unentgeltlich, können die verletzten Insassen von Art. 1681 Codice Civile Gebrauch machen, der die Ersatzpflicht des Frachtführers für Schäden regelt.


Bei einem Transport aus Gefälligkeit ist sowohl gegenüber dem Fahrzeugführer als auch dem Eigentümer des Fahrzeuges der Weg über Art. 2054 Codice Civile verschlossen. Die Verletzten können gegen diese nur nach Art. 2043 Codice Civile vorgehen, wobei sie aber deren Verantwortlichkeit für den Schaden hier konkret nachweisen müssen. Entgegen Art. 2054 Codice Civile enthält Art. 2043 Codice Civile keine Verschuldensvermutung.


Gegenüber anderen verantwortlichen Beteiligten, die an Betrieb des für den Transport verwendeten Fahrzeuges nicht beteiligt sind, bleibt für die verletzte Person beim freundschaftlichen Transport ein Rückgriff auf das Schadensersatzrecht des Art. 2054 Codice Civile mit seiner erleichterten Beweisregel der Vermutung weiterhin möglich.

g) ​Kausalität

Für eine Haftung nach Art. 2054 Codice Civile muss wie für jede unerlaubte Handlung ein Kausalzusammenhang zwischen dem menschlichen Verhalten, hier dem verkehrswidrigen Verhalten, und dem Schadenseintritt bestehen.

h) ​Haftpflichtversicherung

Art. 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 1969, Nr. 990 betreffend die Haftpflichtversicherung für Autofahrer schreibt eine generell Haftpflicht für alle Fahrzeuge fest, die sich nicht mit Hilfe von Schienen fortbewegen.


Der Geschädigte kann auch gem. Art. 18 des Gesetzes vom 24. Dezember 1969, Nr. 990 direkt gerichtlich gegen den Versicherer des Schädigers vorgehen, allerdings nur bis zur Höhe der im Versicherungsvertrag festgelegten Deckungssumme.

3.​Anspruchsgrundlage für Nichtvermögensschäden, Art. 2059 Codice Civile

Eine weiter besondere Anspruchsgrundlage für Schadensersatz bildet Art. 2059 Codice Civile, wonach der Nichtvermögensschaden („danno morale“) nur in den durch Gesetz bestimmten Fällen zu ersetzen ist.


Dieser Anspruch besteht nur, wenn für den Schaden eine strafbare Handlung („reato“, z.B. fahrlässige Körperverletzung, Art. 590 Codice Penale) ursächlich war (Art. 2059 Codice Civile in Verbindung mit Art. 185 Codice Penale).

IV.​Schadenspositionen

Ersetzt wird der “danno alla persona“, der als Oberbegriff des Schadensersatzrechts alle Schäden umfasst, die einer Person durch eine unerlaubte Handlung (Delikt) entstehen.

Die ersatzfähigen Schäden werden in zwei Hauptgruppen unterteilt

1.​Danni materiali (Sachschäden)

2.​Danni fisici (Personenschäden)

1.​Sachschäden („danni materiali“)

Hierunter fallen alle am Eigentum entstandenen Schäden. Im wesentlichen sind dies Schäden am Fahrzeug, an der Kleidung, und an den bei dem Unfall mitgeführten persönlichen Gegenständen. Der Geschädigte hat grundsätzlich einen Anspruch auf Wiederherstellung (Art. 2058 Abs.1 Codice Civile. Bei Unmöglichkeit oder übermäßiger Belastung für den Schädiger ist der Wiederbeschaffungswert zu erstatten, wobei der bisherige Gebrauch der Gegenstände berücksichtigt wird. In der Praxis der Gerichte wird in den wenigsten Fällen der Neuwert ersetzt, da es in den seltensten Fällen gelingt, nachzuweisen, dass die Gegenstände zum Unfallzeitpunkt noch neuwertig waren..
Der Nachweis der Schadenshöhe obliegt dem Geschädigten als Anspruchssteller.

Daneben werden neben den unmittelbaren Sachschäden auch die aus der Eigentumsverletzung als Folgeschäden resultierenden Vermögensschäden, wie Gutachterkosten, Mietwagenkosten etc., ersetzt.

2.​Personenschäden („danni fisici”)

Als „danni fisici“ werden alle Schäden bezeichnet, die durch die Verletzung einer Person entstehen.
Bei den zu ersetzenden Personenschäden im weiteren Sinne ergeben sich zwei Untergruppen, „danno da inabilità temporanea“ (Schaden aus vorübergehender Gesundheitsbeeinträchtigung) (a) und „danno da invalidità permanente“ (Schaden aus dauerhafter Behinderung) (b).

Innerhalb dieser Untergruppen ist wiederum nach den Schadenspositionen „danno biologico“ (Gesundheits- und Körperschaden) (aa), „danno patrimoniale“ (Vermögensschaden) (bb) und „danno morale“ (sonstige Nichtvermögensschäden, immaterieller Schaden) (cc) aufzugliedern.

a) ​Ersatz für vorübergehende Gesundheitsbeeinträchtigungen („inabilità temporanea“)

Entscheidender Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Schadensersatzansprüche aus einer vorübergehenden körperlichen Versehrtheit ist die Dauer der vollständigen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit als Zeit die erforderlich ist, von den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen zu genesen, und die beruflichen und freizeitlichen Aktivitäten wieder voll aufzunehmen.

aa) ​Gesundheits- und Körperschaden („danno biologico“)

(1)​Schadensgrund

Als Gesundheits- und Körperschaden ersetzt wird der Schaden einer Person der in jeder dauernden oder vorübergehenden Veränderung des Gesundheitszustandes dieser Person besteht.
Eine rechtswidrige Verletzung der körperlichen Integrität einer Person führt somit an sich schon zu einem Körperschaden (biologischer Schaden), der als solcher ersatzfähig ist, unabhängig davon, ob aus dieser körperlichen Beeinträchtigung auch ein Vermögensverlust hervorgegangen ist. Ein derartiger Ersatzanspruch folgt bereits aus dem verfassungsrechtlich garantierten und geschützten Recht auf Gesundheit in Art. 32 Costituzione (italienische Verfassung).

Da der Ersatz des biologischen Schadens völlig unabhängig von einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit gewährt wird, steht dieser Anspruch auch Personen zu, die kein Einkommen erzielen, wie Minderjährigen, Rentnern und Hausfrauen.

(2)​Umfang des Schadensersatzes

Für den Zeitraum der vorübergehenden Gesundheitsschädigung hat der Geschädigte einen Ersatzanspruch unabhängig vom etwaigen Einkommen. Ausgeglichen werden soll hier allein die körperliche Unannehmlichkeit durch die erlittenen Verletzungen. Die konkrete Arbeitsfähigkeit, und damit die Fähigkeit, Einkommen zu erzielen, ist für den Ersatz von Gesundheits- und Körperschäden im Sinne eines biologischen Schadens nicht von Bedeutung, so dass auch Beeinträchtigungen der Person ersetzt werden, die keine Auswirkungen auf die Arbeitskraft („capacità lavorativa“) haben bis hin zu den sog. „lesioni micropermanenti“, dies sind Verletzungen, die nur zu einer geringeren Intensität der dauernden Behinderung führen.

Als Personenschaden im engeren Sinne ersatzfähig sind daher auch die nachteiligen Wirkung der Verletzungen auf das Beziehungs- oder Familienleben („danno alla vita di relazione“), genauso wie der sog. „danno estitico“, womit die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes durch sichtbare Verletzungen angesprochen ist. Demnach werden zum Beispiel Beeinträchtigungen durch Narben an sichtbaren Stellen, wie etwa dem Gesicht, nicht nur als immaterieller Schaden über ein angemessenes Schmerzensgeld ausgeglichen, sondern bereits als Gesundheits- und Körperschaden. Dies folgt aus dem begrenzten Anwendungsbereich des Nichtvermögensschadens als immaterieller Schaden (Art. 2059 Codice Civile; siehe unter IV. 2. a) cc)).

Die Höhe des Anspruches berechnet sich aus dem Produkt der Anzahl der Tage, in denen die körperliche Versehrtheit bestand und einem fiktiven durchschnittlichen Tageseinkommen als Pauschbetrag, welches abhängig vom jeweiligen Gerichtsbezirk variiert.

Während Anlagen einer Person, die zu dem gleichen Erfolg geführt hätten, wie die Verletzungshandlung, im deutschen Schadensrecht eine Frage der Kausalität und Zurechenbarkeit des Verletzungserfolges darstellen, werden diese im italienischen Recht erst bei der Berechnung des Schadensersatzanspruches berücksichtigt. Dieser ist bei Vorliegen der Voraussetzungen entsprechend zu mindern.

bb)​ Vermögensschaden („danno patrimoniale“)

(1)​Schadensgrund

Wenn die vorübergehende Gesundheitsbeeinträchtigung einer Person auch zu einem wirtschaftlichen Schaden geführt hat, ist dieser unter dem Begriff des „danno patrimoniale“ (Vermögensschaden) ersatzfähig.

Der Gesundheits- und Körperschaden („danno biologico“) und der Vermögensschaden („danno patrimoniale“) werden getrennt voneinander berechnet, auch wenn sie aus demselben Ereignis entstehen, da es sich um zwei verschiedene Schadensposten mit unterschiedlichen Voraussetzungen handelt.

Als Vermögensschaden ersetzt werden insbesondere die Einbußen im Einkommen des Geschädigten als Folge der durch den Unfall erlittenen Verletzungen und der dadurch bedingten verminderten vorübergehenden Erwerbsfähigkeit.

(2)​Umfang des Schadensersatzes

Für den Anspruchszeitraum hat der Geschädigte einen Anspruch auf entgangenen Gewinn in Form der Differenz zwischen bisheriger Vergütung und tatsächlich erhaltener Entgeltfortzahlung oder sonstiger Leistungen. Diese Differenz lässt sich anhand der vom geschädigten Anspruchsteller vorzulegenden Unterlagen über seinen Verdienst konkret berechnen.
Soweit bei Selbständigen keine regelmäßigen Einkommen feststehen, kann der Geschädigte den Durchschnittsverdienst anhand der Steuererklärung angeben, wobei er die für ihn günstigste der letzten drei Jahre auswählen kann.
Berücksichtigung bei der Berechnung des Schadensersatzes findet auch der Nachteil auf das spätere berufliche Fortkommen und die eventuelle Verkürzung der vorhersehbaren Dauer des Arbeitslebens des Geschädigten.
Erhält ein Arbeitnehmer auch während der Zeit der vollständigen vorübergehenden Behinderung von seinem Arbeitgeber das Entgelt weiter bezahlt, steht ihm kein Anspruch auf Vermögensschaden zu, da ein solcher gar nicht erst entstanden ist, es sei denn er weist nach, dass ihm unabhängig von der Entgeltfortzahlung konkrete Zahlungen durch die Verletzung entgangen sind.

Übt der Verletzte keine berufliche Tätigkeit aus, geht man bei der Berechnung des Vermögensschaden als entgangener Gewinn von einer abstrakten Einkommensmöglichkeit aus.
Bei minderjährigen Verletzten werden deren Interessen im Hinblick auf eine spätere Berufsausübung und die wirtschaftliche und soziale Situation in ihren Familien berücksichtigt. Im Falle von vorübergehender Versehrtheit werden die Ausgaben bewertet, die notwendig waren, um die Verluste in der Ausbildung und durch einen verspäteten Start ins Berufsleben nachzuholen .

Der Geschädigte hat den tatsächlichen Eintritt eines Vermögensschadens und dessen Höhe zu beweisen.

cc) ​Immaterieller Schaden („danno morale”)

(1)​Schadensgrund

Mit Hilfe des immateriellen Schadens soll eine angemessene Entschädigung für psychische Verwirrung, seelische Störungen, Qualen, und Schmerzen erreicht werden, die durch die Verletzungen verursacht wurden. Ersetzt werden nicht die psychisch gefühlten Beeinträchtigungen, sondern der körperliche Schmerz, der durch diese hervorgerufen wird.
Zu denken ist hier insbesondere an das “Schmerzensgeld”. Der Ersatz des immateriellen Schadens soll für den Verletzten einen Ausgleich für erlittene Leiden darstellen, und keine Bestrafung für den Schädiger bedeuten.

Der „danno morale“ ist al reiner Nichtvermögensschaden nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen ersatzfähig (Art. 2059 Codice Civile und 185 Codice Penale). Der Anspruch besteht nur, wenn für den Schaden eine strafbare Handlung („reato“, z. B. fahrlässige Körperverletzung, Art. 59 Codice Penale) ursächlich war, auch wenn diese von einem im strafrechtlichen Sinne nicht schuldfähigen begangen wurde.

(2)​Umfang des Schadensersatzes

Grundsätzlich ist die Höhe des immateriellen Schadens in das Ermessen des Gerichts gestellt. Hierbei hat es die Art und Dauer der erlittenen Beeinträchtigungen genauso zu berücksichtigen, wie die Schwere der Straftat und die charakteristischen Umstände des Einzelfalles.

In der gerichtlichen Praxis wird der Umfang des immateriellen Schadens weitgehend an den Gesundheits- und Personenschaden gekoppelt, indem er mit einem Prozentsatz dieses Schadenspostens ausgeglichen wird.
Abhängig vom jeweiligen Gerichtsbezirk erfolgt die Bewertung regelmäßig mit einem Abschlag von 25 – 50 % des biologischen Schadens. Der immaterielle Schaden kann aber im Hinblick auf besondere Umstände des Einzelfalles höher oder niedriger als der biologische bewertet werden.

Ein Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 2059 Codice Civile ist ausgeschlossen, wenn die Verantwortlichkeit des Schädigers lediglich auf der Vermutung des Art. 2054 Codice Civile und nicht auf der konkreten Feststellung der Schuld beruht. Für eine Ersatzfähigkeit nach Art. 2059 Codice Civile ist der Nachweis eines konkreten schuldhaften Verhaltens des Schädigers erforderlich.

b)​ Dauernde Behinderung („invalidità permanente“)

Als weiterer getrennter Schadensposten bei der Verletzung einer Person werden die Schäden ersetzt, die durch eine dauernde Behinderung entstehen.
Entscheidend ist die Minderung der körperlichen Integrität („capacità fisica“) nach Prozentpunkten, festzustellen durch einen hierauf spezialisierten Arzt („medico legale“).

aa)​ Gesundheits- und Körperschaden („danno biologico“)

(1)​Schadensgrund

Mit diesem Schadensposten soll allein der körperliche Nachteil ausgeglichen werden, der dem Verletzten durch eine dauernde Behinderung, unabhängig vom Verdienst entsteht, und zwar für sein gesamtes weiteres Leben.

(2)​Umfang des Schadensersatzes

Die Berechnung des biologischen Schadens aufgrund dauerhafter Behinderung erfolgt nicht einheitlich und ist umstritten.
Drei Berechnungsmethoden werden vertreten:

(1) Man multipliziert den von einem spezialisierten Arzt, „medico legale“, festzustellenden Invaliditätsgrad in Prozent mit einem Koeffizienten, der von dem Alter des Geschädigten im Zeitpunkt des Unfalls abhängt und einem fiktiven Durchschnittseinkommen, das entweder das durchschnittliche nationale Pro-Kopf-Einkommen oder das Dreifache des Sozialhilfesatzes sein kann.

​Invaliditätsgrad in % x Koeffizient x fiktives Durchschnittseinkommen


(2) Eine andere Berechnungsmethode besteht darin, den Invaliditätsgrad in Prozentpunkten mit einem Fixbetrag pro Invaliditätspunkt zu multiplizieren.
​Invaliditätsgras in Prozentpunkten x Fixbetrag pro Invaliditätspunkt

(3) Die Wirtschaftlichkeitstabellen, in denen der Alterskoeffizient dargestellt ist, sind nur Richtlinien für die Entscheidung, das erkennende Gericht muss sie im Einzelfall nicht zur Berechnung des Schadensersatzes verwenden. Es kann unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles auch einen angemessenen Schadensersatz für eine dauernde Behinderung zusprechen.
​Billigkeitsentscheidung im Einzelfall

Die Handhabung im Einzelfall ist vom jeweiligen Gerichtsbezirk abhängig und erfolgt nicht einheitlich.

bb) ​Vermögensschaden („danno patrimoniale“, auch „biologico specifico“)

(1)​Schadensgrund

Durch den Ersatz des Vermögensschadens für die dauernde Behinderung soll der Nachteil ersetzt werden, der dem Betroffenen dadurch entsteht, dass er infolge der Behinderung gerechnet auf sein weiteres Berufsleben weniger Einkommen erzielen kann, als er hätte erzielen könne, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Der Beruf des Verletzten oder die Arbeit, der er gewöhnlich nachgeht, werden hier als konkrete Parameter für die Bestimmung des erlittenen physischen Schadens berücksichtigt.

(2)​Umfang des Schadensersatzes

Der Geschädigte hat einen Anspruch auf Ersatz seines entgangenen Gewinns in Form des Erwerbs- und Fortkommensschadens nach folgender Berechnung:

Jahreseinkommen x Alterskoeffizient x Invaliditätsgrad in %

Beim Alterskoeffizient ist hier zur Berücksichtigung der Differenz zwischen tatsächlicher Lebensdauer und Dauer des Arbeitslebens ein Abschlag vorzunehmen. In der Tabelle der Alterskoeffizienten werden regelmäßig 20 % veranschlagt, je nach Alter ist ein geringerer oder höherer Abschlag gerechtfertigt.
Die Prognose über die Dauer des Arbeitslebens des Geschädigten muss alle Besonderheiten der von diesem ausgeübten Tätigkeit berücksichtigen.

Die Tatsache allein, dass der Geschädigte trotz einer teilweisen dauernden Behinderung sein bisheriges Einkommen weiterhin erzielen kann, ist kein Ausschlussgrund für diesen Vermögensschaden.

Der Ersatz des Vermögensschadens aus dauerhafter Behinderung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Verletzte im fortgeschrittenen Alter oder gar schon Rentner ist, da es kein allgemeines Alter gibt, ab dem es nicht mehr möglich ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wird anhand des konkreten Falles überprüft und nicht abstrakt.

cc)​ Immaterieller Schaden (danno morale)

Hier ergibt sich kein Unterschied zu der Berechung des immateriellen Schadens aus einer nur vorübergehenden Versehrtheit.
Als sonstiger Nichtvermögensschaden, insbesondere “Schmerzensgeld”, gewährt der immaterielle Schaden Ersatz für die körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen. Abhängig vom jeweiligen Gerichtsbezirk erfolgt auch bei der dauernden Behinderung die Bewertung des immateriellen Schadens regelmäßig mit 25 – 50 % des biologischen Schaden. Dieser Abschlag kann im Hinblick auf besondere Umstände des Einzelfalles auch höher bewertet werden.
Der Anspruch besteht nur, wenn für den Schaden eine strafbare Handlung („reato“, z.B. fahrlässige Körperverletzung nach Art. 590 Codice Penale) ursächlich war.
Ein Verschulden des Schädigers wird nicht vermutet und muss bewiesen werden (zu weiteren Einzelheiten dieser Schadensposition siehe oben III 2 a) cc)).

IV. Verjährung

Die regelmäßige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung beträgt 5 Jahre seit und beginnt mit dem Eintritt des Schadensereignisses (Art. 2947 Abs. 1 Codice Civile). Im Gegensatz hierzu verjährt das Recht auf Ersatz des Schadens aus einem Verkehrsunfall (Art. 2054 Codice Civile) in zwei Jahren (Art. 2947 Abs. 2 Codice Civile).
Die Verjährung beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Schaden objektiv nach Außen in Erscheinung tritt und objektiv wahrnehmbar wird, also mit dem schädigenden Ereignis.

Handelt es sich bei der unerlaubten Handlung um eine Straftat, und beträgt deren Verjährungsfrist mehr als zwei Jahre, gilt für die Verjährung der Schadensersatzansprüche diese längere Verjährungsfrist (Art. 2947 Abs. 3 Satz 1 Codice Civile). Ist die Verfolgung der Straftat anders als durch Verjährung erloschen oder liegt diesbezüglich eine unanfechtbare strafrechtliche Entscheidung vor, richtet sich die Verjährung der unerlaubten Handlung weiterhin nach den Absätzen 1 und 2 des Art. 2947 Codice Civile, und beginnt mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Verfolgbarkeit der Straftat (Art. 2947 Abs. 3 S. 2 Codice Civile).
Die Koppelung der Verjährung des Schadensersatzanspruches an die der unerlaubten Handlung, die als Straftat zu qualifizieren ist, ist insbesondere im Fall des Nichtvermögensschadens als immaterieller Schaden nach Art. 2059 Codice Civile von Bedeutung, da dieser nur dann ersatzfähig ist, wenn es sich bei der unerlaubten Handlung um eine Straftat im Sinne des Codice Penale handelt.

Zusammenfassung

Bei der Geltendmachung seiner Ansprüche kann der Geschädigte weitestgehend auf eine Verschuldensvermutung zu Lasten des Schädigers zurückgreifen, welcher seinerseits gehalten ist, den Entlastungsbeweis des zufälligen Ereignisses zu führen.
Lediglich der Schmerzensgeldanspruch bedarf des Verschuldensnachweises.
Fahrzeugführer und Eigentümer haften als Gesamtschuldner für den entstandenen Schaden, für welchen der Haftpflichtversicherer direkt in Anspruch genommen werden kann.
Ersetzt werden sowohl Sachschäden als auch Personenschäden als unmittelbare und Folgeschäden
Bei Personenschäden wird zwischen der nur vorübergehenden Gesundheitsbeeinträchtigung und der dauernden Behinderung einer Person unterschieden. Für diese Schadenspositionen wird unabhängig voneinander Ersatz geschuldet.


Ersetzt werden in jeder dieser Schadenskategorie die Schäden für die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit als Gesundheitsschaden („danno biologico“), der Vermögensschaden („danno patrimoniale“), der durch den Verlust von Einkünften entstanden ist oder als Erwerbsschaden fortbesteht, und der sonstige Nichtvermögensschaden als immaterieller Schaden („danno morale“) insbesondere in Form des Schmerzensgeldes. Letzterer allerdings nur, wenn die Verletzungshandlung eine Straftat („reato“) darstellt.
Bei der Berechnung und Bezifferung des Ersatzes der Personenschäden bestehen regionale Unterschiede, da abhängig vom Gerichtsbezirk unterschiedliche Berechnungsmethoden und Bewertungstabellen zu Anwendung kommen.

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