Arzthaftung: Der H- Arzt im System der Berufsgenossenschaften als Träger öffentlich- rechtlicher Aufgaben?

Die Haftung des H-Arztes bestimmt sich ausschließlich nach dem zugrundeliegenden privatrechtlichen Behandlungsvertrag mit dem Verletzten

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum D-Arzt läßt sich nicht auf den H-Arzt übertragen. Denn selbst wenn dieser die Erstbehandlung durchführt und die maßgebliche Diagnose selbst stellt, wird der H-Arzt nicht kraft öffentlich-rechtlichen Amtes tätig. Er behandelt nicht in Ausführung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht für die gesetzliche Unfallversicherung. Somit kann ein während dieses Behandlungsstadiums unterlaufener Fehler nicht plötzlich zulasten der Berufsgenossenschaften gehen, sondern muß sich ausschließlich nach dem privatrechtlichen Behandlungsvertrag beurteilen. Der H-Arzt haftet daher für Diagnosefehler, die sich in der ebenfalls von ihm durchgeführten an sich fachgerechten Weiterbehandlung offenbaren, persönlich.

Dies erscheint auch angemessen vor dem Hintergrund, daß die Abgrenzung der Diagnose vom Beginn der weiteren Behandlung gerade bei Personenidentität des Arztes meist sehr schwer fällt. Schließlich stellt die Diagnose selbst regelmäßig bereits den Beginn der Heilmaßnahmen dar. Die Übergänge hierbei sind fließend, so daß eine – beim H-Arzt unnatürlich anmutende – haftungsrechtliche Aufsplittung die bereits beschriebenen unpraktikablen Konsequenzen hinsichtlich Passivlegitimation und Zuständigkeit des Gerichts mit sich bringen würde und so zu erheblichen Rechtsunsicherheiten für den von einer Fehlbehandlung betroffenen Patienten mit sich bringen würde. Die Rechtssprechung zum D-Arzt ist in dieser Konstellation also wegen der unterschiedlichen Funktionswahrnehmung des H-Arztes erneut nicht übertragbar. Insgesamt kann festgehalten werden, daß die Rechtssprechung zum D-Arzt sich nicht auf den H-Arzt übertragen läßt. Es bestehen zwischen den beiden Ärztetypen und ihren Aufgaben nach Ansicht des Verfassers zu große strukturelle Unterschiede.

Ob im Rahmen der diagnostischen Erstbehandlung oder im Zuge der besonderen Weiterbehandlung bestimmt sich die Haftung des H-Arztes ausschließlich nach dem zugrundeliegenden privatrechtlichen Behandlungsvertrag mit dem Verletzten. Der H-Arzt nimmt in keinem Behandlungsstadium eine dem D-Arzt vergleichbare öffentlich-rechtliche Pflicht wahr. Der öffentlich-rechtliche Bezug der Tätigkeit des H-Arztes erschöpft sich somit in der Vorgabe der Berufsgenossenschaften bezüglich der zugelassenen Verletzungsarten (§ 35 Ärzteabkommen).

Abschließend bleibt festzustellen, daß der H-Arzt im System der gesetzlichen Unfallversicherung einen haftungsrechtlichen Fremdkörper darstellt. Es verwundert daher auch nicht weiter, daß die Position des H-Arztes in den Unfallversicherungssystemen anderer Länder – nach Kenntnis des Verfassers – nicht zu finden ist.  Solange jedoch die gegenwärtigen Regelungen existieren, bildet die hier vertretene Haftungsverteilung eine geeignete und praktikable Grundlage, um Rechtsunsicherheiten bezüglich der Haftung des H-Arztes zu Gunsten des betroffenen Patienten zu beseitigen. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die höchstrichterliche Rechtssprechung in einem solchen Fall entscheiden wird.

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